Mentale Modelle: Wie unser Denken die Welt abbildet
Ein mentales Modell besteht aus einem verzweigten Netzwerk von Elementen und deren Verbindungen. Die Elemente fungieren als Knoten, während die Verbindungen als Assoziationen bezeichnet werden. In ihrer Gesamtheit bilden sie eine kognitive Struktur, die die sensorischen Eindrücke eines Individuums widerspiegelt und organisiert. Diese Definition stammt von Prof. Dr. Gerold Riempp, dessen Forschungsarbeit sich auf organisationales Lernen und kognitive Modellierung konzentriert.
Mentale Modelle sind gewissermaßen die innere Repräsentation der äußeren Welt in unserem Denken – eine Art kognitive Landkarte, die wir nutzen, um Informationen zu strukturieren und Ereignisse zu interpretieren. Bei der Entwicklung und Anpassung mentaler Modelle unterscheidet Riempp zwei grundlegende, einander ergänzende Prozesse:
- Assimilationsprozess: Aufnahme und Sammlung neuer Informationen aus der Umwelt, Integration dieser Informationen in bestehende Wissensstrukturen sowie Erweiterung der vorhandenen mentalen Modelle durch neue Verknüpfungen
- Akkommodationsprozess: Anpassung des bestehenden Wissens an neue Erkenntnisse, Integration von Informationen, die nicht in bestehende Strukturen passen, sowie Neuorganisation mentaler Strukturen bei auftretenden Widersprüchen
Diese beiden Prozesse sorgen dafür, dass unsere mentalen Modelle dynamisch und anpassungsfähig bleiben. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Assimilation und Akkommodation ermöglicht effektives Lernen und kognitive Entwicklung.
Kernaussagen im Überblick
- Definition: Dichtes Netzwerk aus Elementen („Knoten“) und deren Verbindungen („Assoziationen“), das sensorische Eindrücke eines Individuums widerspiegelt, organisiert und kognitiv abbildet
- Funktion: Mentale Modelle dienen als interne Repräsentation der äußeren Welt – eine Art kognitive Landkarte zur Strukturierung von Informationen und Interpretation von Erfahrungen
- Zentrale Prozesse der Modellbildung:
- Assimilation: Aufnahme neuer Informationen aus der Umwelt und deren Integration in bestehende Wissensstrukturen (Erweiterung bestehender Modelle)
- Akkomodation: Anpassung und Umstrukturierung vorhandener Wissensstrukturen bei neuen, widersprüchlichen Informationen
- Ziel: Sicherstellung von Anpassungsfähigkeit und Lernfähigkeit des Individuums durch ein dynamisches mentales Modell
- Balance: Ein ausgewogenes Verhältnis von Assimilation und Akkommodation fördert effektives Lernen und kognitive Entwicklung
Alternative Modelle und Theorien
Riempps Ansatz ist nicht isoliert zu betrachten, sondern lässt sich in eine Vielzahl etablierter kognitiver Theorien einordnen. Diese Modelle liefern ergänzende Perspektiven auf das Verständnis von Wissen, Lernen und inneren Repräsentationen.
Insbesondere in der Psychologie, Pädagogik und Organisationsforschung haben sich unterschiedliche Theorien etabliert, die ähnliche Konzepte aufgreifen – teils mit anderem Fokus, aber stets mit dem Ziel, die Dynamik menschlichen Denkens und Handelns besser zu erfassen.
- Piagets kognitive Entwicklungstheorie verwendet ähnliche Konzepte der Assimilation und Akkommodation, bezieht sich jedoch hauptsächlich auf die kindliche Entwicklung, während Riempp diese Prozesse im organisationalen Kontext betrachtet. Die Grundlagen der kognitiven Entwicklung nach Piaget übersichtlich zusammengefasst und einfach erklärt
- Nonaka und Takeuchis SECI-Modell (1995) beschreibt die Umwandlung zwischen implizitem und explizitem Wissen durch Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung – ein Prozess, der mit der Entwicklung mentaler Modelle eng verbunden ist
- Senge's Konzept der mentalen Modelle (1990) in lernenden Organisationen betont deren Einfluss auf organisationales Verhalten und Entscheidungsprozesse. Wikipedia erklärt kurz und bündig sämtliche Aspekte einer Lernenden Organisation
Diese alternativen Theorien verdeutlichen, wie tiefgreifend mentale Modelle mit Lernprozessen, Wissensmanagement und organisationaler Entwicklung verknüpft sind. Sie liefern wertvolle Ergänzungen zu Riempps Perspektive und helfen, mentale Modelle aus verschiedenen Blickwinkeln zu verstehen.
Zusammenfassung
Mentale Modelle sind ein zentrales Element in der Wirtschaftsinformatik – insbesondere dort, wo Mensch und Technik aufeinandertreffen. Sie helfen, komplexe Sachverhalte verständlich zu strukturieren und bilden die Grundlage für effektive Interaktion mit Informationssystemen.
Ob bei der nutzerzentrierten Gestaltung von Benutzeroberflächen, der Entwicklung von Wissensmanagement-Systemen oder der Modellierung komplexer Systemlandschaften: Das Verständnis mentaler Modelle ermöglicht es, individuelle und organisationale Denkweisen gezielt zu berücksichtigen.
Riempps Forschung macht deutlich, dass nachhaltiges Wissensmanagement weit über technische Infrastruktur hinausgeht. Es erfordert ein tiefes Verständnis jener kognitiven Prozesse, durch die Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten und im organisationalen Kontext anwenden.