Leitfaden für effektives Knowledge Management
Das Bausteinmodell des Wissensmanagements von Probst, Raub und Romhardt (2012) bietet einen strukturierten Rahmen, der sowohl Kern- als auch Nebenprozesse des Wissensmanagements umfasst und praktische Ansätze für die Implementierung liefert.
Probst et al. definieren insgesamt sechs Kern- und zwei Nebenprozesse die einen dynamischen Kreislauf bilden, in dem jeder Prozess auf den anderen aufbaut und diese sich gegenseitig beeinflussen.
Besonders interessant ist dabei die Verbindung zwischen den Nebenprozessen und den Kernprozessen. Durch diesen systematischen Ansatz wird sichergestellt, dass Wissensmanagement nicht isoliert betrachtet wird, sondern in die Gesamtstrategie des Unternehmens integriert ist. Der Kreislauf verdeutlicht auch, dass Wissensmanagement kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess ist, der ständige Aufmerksamkeit und Anpassung erfordert.
Das Bausteinmodell ist eines der bekanntesten und einflussreichsten Rahmenwerke im Wissensmanagement und wurde erstmals Ende der 1990er Jahre vorgestellt und in späteren Auflagen, etwa 2012, weiterentwickelt.
Übersicht der Kern- und Nebenprozesse des Bausteinmodells
Das Bausteinmodells nach Probst et al. (2012) unterscheidet zwischen Kernprozessen (auch: Haupt- oder operative Prozesse) und Nebenprozessen (auch: Steuerungs- oder Managementprozesse) des Wissensmanagements.
Kernprozesse
Stehen im Mittelpunkt des Modells und beschreiben die grundlegenden Aktivitäten im Umgang mit Wissen in Organisationen
- Wissensidentifikation (knowledge identification):
- Analyse und Überblick über die internen/externen Daten, Informationen und Fähigkeiten (= Wissensbasis)
- Sorgt für Transparenz, wodurch Fehlentscheidungen und Ineffizienz reduziert werden
- Effektives KM unterstützt Mitarbeiter bei der Wissensrecherche und schafft Wissenstransparenz
- Wissenserwerb/-entwicklung (knowledge acquisition/knowledge development):
- Unterstützen sich gegenseitig
- Beinhalten das Erlernen neuer Fähigkeiten, die Entwicklung neuer Produkte und Weiterentwicklung von Prozessen
- Primär werden interne Fähigkeiten fokussiert, welche nicht durch externe Stellen realisierbar sind
- Wissensverteilung (knowledge distribution):
- Steuerung und Verteilung des in einer Organisation vorhandenen Wissens
- Wird benötigt, um Informationen der gesamten Organisation zugänglich zu machen
- Wissensnutzung (knowledge use):
- Ziel und Zweck des Knowledge Managements
- Klar definierte KM-Prozesse sind notwendig, um Verteilung und Nutzung von internem/externem Wissen zu fördern
- Wissensspeicherung (knowledge retention):
- Vorhandenes Wissen darf nicht verloren gehen und muss regelmäßig aktualisiert werden
- Das Management muss (z.B. durch Anreizsysteme) sicherstellen, dass zentrale Mitarbeiter ihr Wissen dokumentieren
- Veränderungsprozesse dürfen keinen Wissensverlust zur Folge haben
Nebenprozesse
Flankieren die Kernprozesse und sorgen für deren Steuerung und Qualitätssicherung
- Wissensziele (knowledge goals):
- Steuert KM-Aktivitäten und legt fest, welche Kompetenzen in welchen Bereichen erforderlich sind
- Normative Wissensziele: Schaffen eine Unternehmenskultur, die Wissens- und Fähigkeitsaustausch fördert
- Strategische Wissensziele: Fokussieren organisatorisches Kernwissen und zukünftige Anforderungen
- Operative Wissensziele: Implementieren KM und kontrollieren die definierten normativen/strategischen Wissensziele
- Wissensbewertung (knowledge assessment):
- Controllingprozess, der normative, strategische und operative Wissensziele misst
- Notwendig, um KM langfristig erfolgreich umzusetzen
Das Modell wird oft als Regelkreis dargestellt, der die kontinuierliche Verbesserung und Steuerung aller Wissensprozesse betont.
Der Wissensmanagement-Kreislauf des Bausteinmodells im Detail
Die von Probst, Raub und Romhardt definierten Prozesse bilden einen dynamischen Kreislauf, in dem jeder Prozess auf den anderen aufbaut und diese sich gegenseitig beeinflussen. Besonders interessant ist dabei die Verbindung zwischen den Nebenprozessen und den Kernprozessen.
Kernprozesse des Wissensmanagements
Die Kernprozesse des Wissensmanagements bilden den Mittelpunkt des Bausteinmodells von Probst, Raub und Romhardt. Sie beschreiben die grundlegenden Aktivitäten im Umgang mit Wissen in Organisationen und stellen sicher, dass Wissen effektiv identifiziert, erworben, verteilt, genutzt und gespeichert wird.
- Wissensidentifikation: Organisationen müssen zunächst ihre vorhandenen Wissensbestände analysieren und transparent machen. Dazu gehört die Erfassung von Daten, Informationen, Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter sowie relevantes externes Wissen. Methoden wie Wissenslandkarten, Expertenverzeichnisse oder Wissensbilanzierungen helfen, die verteilten Wissensquellen sichtbar zu machen. Eine gute Wissensidentifikation schafft den Überblick über die Wissensbasis und ermöglicht gezielte Wissensarbeit.
- Wissenserwerb/-entwicklung: Neues Wissen muss kontinuierlich erworben und entwickelt werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Beim Wissenserwerb geht es um die Aneignung von externem Wissen, z.B. durch Kooperationen, Zukäufe oder Schulungen. Die Wissensentwicklung bezieht sich auf interne Fähigkeiten wie Forschung und Entwicklung, Prozessoptimierung oder Mitarbeiterfortbildungen. Lernfördernde Maßnahmen wie Wissensaustausch, Erfahrungsdokumentation und Anreizsysteme sind wichtig, um das Humankapital zu stärken.
- Wissensverteilung: Wissen muss dort verfügbar sein, wo es benötigt wird. Die Wissensverteilung stellt sicher, dass Informationen, Erkenntnisse und Fähigkeiten im gesamten Unternehmen zirkulieren. Technologien wie Wissensmanagement-Systeme, Datenbanken oder Kollaborationsplattformen erleichtern den Zugriff und Austausch. Entscheidend sind aber auch persönliche Netzwerke und eine offene Wissenskultur, die Wissensteilung befördert.
- Wissensnutzung: Der eigentliche Mehrwert des Wissensmanagements entsteht erst durch die produktive Anwendung des vorhandenen Wissens. Organisationen müssen Prozesse etablieren, die eine effektive Wissensnutzung ermöglichen, z.B. durch Integration in Arbeitsabläufe, Entscheidungsprozesse oder die Produktentwicklung. Mitarbeiter benötigen die nötigen Kompetenzen und Anreize, um Wissen gewinnbringend einzusetzen.
- Wissensspeicherung: Wertvolles Wissen muss dauerhaft gesichert und aktuell gehalten werden. Dazu dienen Wissensspeicher wie Datenbanken, Dokumentenmanagementsysteme oder Lessons-Learned-Datenbanken. Insbesondere das Know-how ausscheidender Mitarbeiter sollte systematisch bewahrt werden, z.B. durch Debriefings oder Mentoren-Programme. Eine kontinuierliche Pflege und Aktualisierung der Wissensspeicher ist unabdingbar.
Ein besonders wichtiger Zusammenhang besteht zwischen der Wissensidentifikation und der Wissensentwicklung. Diese beiden Prozesse stehen in einer engen, symbiotischen Beziehung zueinander und bilden gemeinsam das Fundament für effektives Wissensmanagement.
Die Wissensidentifikation liefert eine systematische Bestandsaufnahme des vorhandenen Wissens und identifiziert gleichzeitig Wissenslücken. Sie trägt ebenso dazu bei Doppelarbeit zu verhindern. Durch die Entwicklung neuen Wissens werden außerdem bisher unbeachtete Wissensbereiche sichtbar. Umgekehrt beeinflusst die Wissensentwicklung auch die Wissensidentifikation, indem sie die Wissensbasis erweitert, neue Perspektiven eröffnet, die Methoden zur Wissensidentifikation verbessert oder den Wert vorhandenen Wissens neu bewertet.
Nebenprozesse (Steuerungsprozesse)
Neben den operativen Kernprozessen des Wissensmanagements definieren Probst, Raub und Romhardt zwei Nebenprozesse, die eine steuernde und überwachende Funktion übernehmen. Diese Managementprozesse flankieren die Kernprozesse und stellen sicher, dass die Wissensaktivitäten zielorientiert und effizient ablaufen. Sie sorgen für die kontinuierliche Verbesserung des Wissensmanagements und seine Integration in die Gesamtstrategie des Unternehmens.
- Wissensziele: Wissensziele definieren, welche Wissensbestände und Kompetenzen in einer Organisation aufgebaut und gepflegt werden müssen. Es werden normative, strategische und operative Wissensziele unterschieden: Normative Wissensziele schaffen eine Unternehmenskultur, die Wissensteilung und Lernen fördert. Strategische Wissensziele legen den Fokus auf das organisatorische Kernwissen und zukünftige Wissenserfordernisse. Operative Wissensziele übersetzen die Vorgaben in konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Wissensmanagements. Gut definierte Wissensziele verankern Wissensmanagement in der Strategie und Kultur des Unternehmens.
- Wissensbewertung: Dieser Controlling-Prozess überwacht und misst die Erreichung der gesetzten Wissensziele. Leistungskennzahlen und Bewertungsverfahren beurteilen, inwieweit normative, strategische und operative Wissensziele erfüllt wurden. Die Wissensbewertung liefert wichtige Steuerungsinformationen für das Management. Sie zeigt Defizite und Verbesserungspotenziale auf und ermöglicht eine kontinuierliche Anpassung der Wissensmanagement-Aktivitäten. Eine systematische Erfolgskontrolle ist unerlässlich, um Wissensmanagement langfristig und effizient zu betreiben.
Zusammenfassung: Bausteinmodell für erfolgreiches Wissensmanagement
Das Bausteinmodell nach Probst, Raub und Romhardt bietet Organisationen einen umfassenden Rahmen, um die wertvollste Ressource der Wissensgesellschaft systematisch zu managen: das Wissen der Mitarbeiter. Die acht ineinandergreifenden Prozesse ermöglichen einen kontinuierlichen Kreislauf zur Identifikation, Entwicklung, Verteilung, Nutzung und Speicherung von Wissen. Besonders die enge Verknüpfung der Wissensidentifikation und -entwicklung verdeutlicht den iterativen Charakter: Transparenz über vorhandenes Wissen ist die Grundlage für gezielte Weiterentwicklung, während neue Erkenntnisse wiederum die Wissensbasis erweitern.
Ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Bausteine berücksichtigt und gleichzeitig die Synergien zwischen den Prozessen nutzt, ist der Schlüssel für erfolgreiches Wissensmanagement. Nur wenn Organisationen konsequent in alle Kernprozesse investieren und durch klare Ziele sowie Erfolgsmessung steuern, können sie das volle Potenzial ihrer intellektuellen Ressourcen ausschöpfen. Diese strategische Herangehensweise ist entscheidend für Innovationsfähigkeit, Effizienz und nachhaltigen Erfolg in der Wissensökonomie des 21. Jahrhunderts.